Veggie-Wurst darf also nun nicht mehr Wurst heißen, denn das verwirrt den Kunden. Dafür hat sich jüngst eine Mehrheit des EU-Parlaments ausgesprochen. Stattdessen soll auf dem Produkt genau stehen, was drin ist. Das wäre dann zum Beispiel: gepresstes und texturiertes Soja. Na denn: guten Appetit.

Im ersten Moment könnte man denken, es gehe bei dieser Debatte tatsächlich um Verbrauchertäuschung. Das ist natürlich Quatsch. Denn sonst würde auf der Fleischwurst ja auch nicht Fleischwurst stehen, sondern „in Schweinedarm eingewickelte Tierreste“. Worum es hier tatsächlich geht, ist Macht. Noch immer hat die Fleischlobby einen deutlich größeren Marktanteil als die Produzenten veganer oder vegetarischer Ersatzprodukte. Diese Macht nutzt sie, um – wie aktuell – Gesetze zu beeinflussen, aber auch, um ihre Praktiken möglichst zu verschleiern. Warum sonst müssten Tierschutzorganisationen wie ANINOWA heimlich in hoch gesicherte Schlachthöfe eindringen, um die brutalen Zustände, die dort herrschen, zu filmen?
Warum sonst müssen die Aktivist*innen von Disrupt Food System den Weserhafen in Brake lahmlegen, um die Schäden aufzuzeigen, die die deutsche Tierindustrie jeden Tag Tieren, Menschen und der Umwelt zufügt? In Brake kommen täglich 20.000 Tonnen Getreide an. Die Feldfrüchte, für die andernorts Wälder abgeholzt und Bauern ausgebeutet werden, sind billige, proteinreiche Nahrung für Kühe, Schweine und Hühner, die bei uns in zu engen Ställen ein viel zu kurzes, oft grausames Leben fristen. Dieses System ist ganz direkt durch Unterdrückung und Umweltzerstörung gekennzeichnet – und vernichtet indirekt mit seinem enormen Ausstoß an klimaschädlichen Gasen unsere Lebensgrundlagen. Nichts von alledem steht auf der Zutatenliste der Bärchenwurst (die keine Bärchen enthält), der Kinderwurst (die – hoffentlich – keine Kinder enthält), und des Fleischkäses (der keine Mich enthält).
Die Entscheidung zum Veggie-Wurst-Verbot ist nicht endgültig, sondern wird nun von den 27 EU-Ländern verhandelt. Bei dem aktuellen Protest könnte das Gesetz also noch gekippt werden. Wieso sich also aufregen? Bereits zu Beginn der Debatte im Jahr 2019 war schließlich klar, dass das Thema medienwirksam aufgeblasen wird. Aber allein die Tatsache, dass es nun wieder Zeit und Energie der Umwelt-, Klima-, und Tierschutzlobby braucht, um sich gegen diesen rückschrittlichen Gesetzesvorschlag zu stemmen, ist ein Problem. Denn diese Energie kann dann nicht für einen echten Fortschritt eingesetzt werden. Vegane Ernährung ist ein Teil davon, weil sie Ressourcen schont. So hat pflanzliche Nahrung einen positiven Einfluss auf Klima, Umwelt, Welthunger und Tiere.
Münster isst veggie setzt sich für mehr vegane und vegetarische Ernährung ein – mit Rezeptideen für Zuhause, aber auch mit einem Restaurantplan und Tipps für mehr pflanzliche Speisen in Kantinen und Mensen.


